Gold- und Silberpreise auf Rekordhoch: Setzt sich die Rallye fort?

In einer Woche, die von Marktunsicherheiten geprägt war, bewiesen die Edelmetalle einmal mehr ihren Status als sicherer Hafen. Sowohl Gold als auch Silber verzeichneten einen beispiellosen Preisanstieg und erreichten neue Höchststände. Doch was treibt diese Rallye an und ist ein Ende des Aufwärtstrends in Sicht?
Historische Höchststände an den Märkten
Der Goldpreis setzte seine beeindruckende Rekordjagd fort. An der New Yorker Warenbörse COMEX durchbrach der Preis für eine Feinunze zwischenzeitlich die Marke von 3.640 US-Dollar. Nachdem Anfang der Woche bereits die Schwelle von 3.500 Dollar überschritten wurde, folgte kurz darauf der Sprung über 3.600 Dollar. Zuletzt schloss der Gold-Future bei 3.609,60 Dollar. Dies stellt eine massive Steigerung im Vergleich zum Jahresbeginn dar, als der Preis noch bei rund 2.600 Dollar lag. Auch in Deutschland zog der Preis für physisches Gold entsprechend an.
Nicht weniger beeindruckend ist die Entwicklung beim Silber. Der Preis für das kleine Geschwister des Goldes erreichte in dieser Woche die Marke von 42 Dollar pro Unze und durchbrach damit erstmals seit 14 Jahren die 40-Dollar-Grenze. Mit einer Rendite von über 40 % seit Jahresbeginn übertrifft die Performance von Silber sogar die des Goldes, welches im gleichen Zeitraum um etwa 36 % zulegte.
Zinssenkungserwartungen als Haupttreiber
Einer der wesentlichen Gründe für den Höhenflug ist die Erwartung einer bevorstehenden Zinssenkung durch die US-Notenbank (Fed). Die Märkte preisen eine Zinssenkung noch in diesem Monat mit einer Wahrscheinlichkeit von nahezu 100 % ein. Jüngste Wirtschaftsdaten, wie etwa die Arbeitsmarktzahlen, deuten darauf hin, dass eine Lockerung der Geldpolitik nicht länger aufgeschoben werden sollte. Da Edelmetalle wie Gold und Silber keine Zinsen abwerfen, steigt ihre relative Attraktivität für Anleger in einem Umfeld sinkender Zinsen. Ein Experte der Schweizer Großbank UBS analysierte, dass „die bevorstehende Zinssenkung der Fed dazu führt, dass Investoren ihre Allokation in Gold erhöhen, was den Preisanstieg antreibt“.
Zusätzlich befeuert wird die Entwicklung durch politische Manöver, die die Unabhängigkeit der Fed infrage stellen. Jüngste Äußerungen und Personalentscheidungen von US-Präsident Trump haben die Sorge geweckt, dass die langfristige Fähigkeit der Notenbank zur Inflationsbekämpfung geschwächt werden könnte. Ray Dalio, Gründer des Hedgefonds Bridgewater, warnte, dass solcher politischer Druck das Vertrauen in die Währungshüter untergräbt und die Attraktivität von auf Dollar lautenden Schuldtiteln verringert. Dies veranlasse globale Investoren zunehmend, von US-Staatsanleihen in Gold umzuschichten.
Geopolitische und fiskalische Unsicherheiten
Auch fundamentale Unsicherheiten tragen zur Stärke der Edelmetalle bei. Die stockenden Friedensverhandlungen im Ukraine-Krieg, die trotz Vermittlungsversuchen bisher zu keinem greifbaren Ergebnis geführt haben, erhöhen die Nachfrage nach sicheren Anlagen.
Hinzu kommen Risiken aus der US-Handelspolitik. Ein US-Berufungsgericht hat die von Präsident Trump einseitig verhängten Gegenzölle als rechtswidrig eingestuft. Dies schafft eine rechtliche Unsicherheit, die bis zu einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs andauern und Handelsverhandlungen mit wichtigen Partnern verlangsamen könnte. Sollte das Urteil bestätigt werden, könnten bereits eingenommene Zölle zurückgefordert werden müssen. Dies würde das ohnehin durch Steuersenkungen belastete US-Haushaltsdefizit weiter vergrößern und könnte zu einem Anstieg der Renditen für Staatsanleihen führen. Ein Analyst der Saxo Bank erklärte hierzu: „Steigende Langfristrenditen signalisieren, dass Investoren eine höhere Prämie für fiskalische Risiken und politische Einmischung in die Geldpolitik fordern. Ein solches Umfeld stärkt die Wahrnehmung von Gold als Inflationsschutz.“
Anhaltend starke Nachfrage von Zentralbanken und ETFs
Die Nachfrage nach Gold wird zudem strukturell gestützt. Weltweit bauen Zentralbanken ihre Goldreserven aus, um ihre Abhängigkeit vom US-Dollar zu verringern und sich gegen finanzielle Instabilität abzusichern. Seit 2022 belaufen sich die jährlichen Nettokäufe der Zentralbanken auf über 1.000 Tonnen, und auch für dieses Jahr wird ein Volumen von rund 900 Tonnen erwartet. Allein im August kauften die Notenbanken netto 10 Tonnen Gold, wobei China seine Bestände den neunten Monat in Folge aufstockte. Eine Umfrage des World Gold Council unter 71 Zentralbanken ergab, dass 76 % von ihnen planen, ihre Goldreserven in den nächsten fünf Jahren weiter zu erhöhen.
Auch bei börsengehandelten Fonds (ETFs) ist die Nachfrage ungebrochen. Im August flossen weltweit 5,5 Milliarden Dollar in Gold-ETFs.
Silber profitiert von industriellem Bedarf
Silber gewinnt nicht nur als Anlageobjekt an Bedeutung, sondern auch als unverzichtbarer Rohstoff für die Industrie. Es ist ein Schlüsselmaterial für Zukunftstechnologien wie Elektroauto-Batterien und Solarpaneele. Die industrielle Nachfrage wächst stetig, während das Angebot bereits knapp ist. Pläne der US-Regierung, Silber aus Gründen der nationalen Sicherheit als kritisches Mineral einzustufen, könnten den Preis weiter antreiben. Angesichts dieser Aussichten verzeichnen auch Silber-ETFs seit sieben Monaten in Folge ununterbrochene Mittelzuflüsse.
Wie lauten die Prognosen?
Analysten an der Wall Street sind überwiegend optimistisch. Goldman Sachs hält einen Goldpreis von 5.000 Dollar pro Unze bis Mitte nächsten Jahres für möglich, sollte es zu einem extremen Szenario aus US-Rezession und eskalierendem Handelskrieg kommen. Die Bank of America prognostiziert 4.000 Dollar für das erste Halbjahr 2025, während JPMorgan seine Ziele für Ende 2024 auf 3.675 Dollar und für Ende 2025 auf 4.250 Dollar anhob. Auch für Silber sind die Aussichten positiv; die Citigroup erwartet einen Anstieg auf 43 Dollar innerhalb des nächsten Jahres.
Allerdings gibt es auch warnende Stimmen. Einige Experten argumentieren, dass die Erwartungen an Zinssenkungen bereits in den aktuellen Preisen enthalten seien und das weitere Aufwärtspotenzial begrenzt ist. Das Analysehaus StoneX hält sogar einen Rückgang auf 3.000 Dollar bis zum Jahresende für möglich. Entscheidend wird sein, ob die Fed nach der erwarteten Zinssenkung im September weitere Schritte folgen lässt. Zudem könnten die bevorstehenden Verhandlungen über den US-Haushalt für neue Volatilität an den Anleihemärkten sorgen. Für Anleger bleibt es daher essenziell, trotz des Status als sicherer Hafen die hohe Preisschwankung zu berücksichtigen und Entscheidungen mit Bedacht zu treffen.